Ässu

[Essen]

Noch bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts versorgte sich die Bergbevölkerung im Oberwallis zum grossen Teil selber, d.h. es wurden alle Lebensmittel auf eigenem Grund und Boden produziert. Diese Lebensweise, gepaart mit der Realteilung, führte bis in die 30er Jahre zu erheblichen Mängeln und zu Ab- und Auswanderung. Wer blieb, konnte manchmal mehr schlecht als recht überleben; dementsprechend war die Kost sehr einfach und manchmal auch recht eintönig.

Alle Selbstversorger verfügten über eine kleine Landwirtschaft mit Viehzucht, Obst- und Ackerbau, im Gebiet westlich von Brig kam auch noch der Weinbau hinzu. Was man nicht selber produzieren konnte, musste man im Kolonialwarenladen hinzukaufen: vor allem Salz und Zucker, beides lebensnotwendige Mittel zum Konservieren und Würzen der Speisen, Öl (als Essig eignete sich manchmal auch der eigene Wein), Pöckel- oder Räucherfisch (Heringe, Merluz für die Fastenzeit), Reis und Mais (Polenta), später auch noch Teigwaren.  Wenn man es sich leisten konnte, kaufte man dort auch die Luxusgüter Kaffee und Schokolade.

(Ich beschränke mich hier auf das Essen. Die Selbstversorgung ging natürlich über das Essen hinaus. Jeder im Dorf war irgendwie Spezialist für eine bestimmte Tätigkeit: Schuster, Schreiner, Metzger, Säumer etc.. Man half sich gegenseitig in einer Art Tauschwirtschaft.)

Die Konservierung der Lebensmittel war sehr beschränkt. So konnte man die Lebensmittel haltbar machen durch Zucker (Einmachen von Früchten, Konfitüre), durch Sterilisieren (Gemüse, Fleisch), durch Einlegen in Alkohol (Früchte), durch Gären (z.B. Rüben oder Sauerkraut) oder durch Einsalzen (Fleisch, Wurst). Da das Oberwallis und auch Regionen in Graubünden eine sehr tiefe Luftfeuchtigkeit besitzen, war es hier möglich, Fleisch an der Luft zu trocknen (Trockenfleisch, Hamme, Speck, Hauswurst).

Die zwei Hauptstützen der Selbstversorgung waren der Ackerbau (Roggen, Weizen, Kartoffeln)  und die Viehzucht. Der Ackerbau lieferte die Grundnahrungsmittel Brot (Roggenbrot, Weissbrot, Rieja) und Kartoffeln (Röesti, Gschwellti, Kartoffelstock, Bratkartoffeln, Salzkartoffeln etc.), beides Bestandteile praktisch jeder Mahlzeit. Die Viehzucht (Kuh, Schaf, Ziege) lieferte die Nahrungsmittel Milch, Käse, Butter, Ziger und Fleisch, daneben aber auch noch Felle (Schuhe, Gürtel, Riemen) und Wolle (Trilchstoffe, Loden, Strickware) für die Bekleidung.

Da das Wallis durch die beiden Gebirgsketten der Walliser- und Berner Alpen sich in einer geschützten Zwischenlage befindet, hat es ein sehr trockenes, aber mildes Klima. Deshalb kommt vom Obst- und Weinbau zu jeder Zeit ein wesentlicher Beitrag zur Vielseitigkeit der Tafel.

Im Obstbau wurde grösstenteils auf Hochstämmen bis zu 1400 Meter über Meer die verschiedensten Früchte angebaut: Aprikosen, Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Pflaumen, Mirabellen, Quitten und Kirschen. Daneben gab es viele Nussbäume und in milderen Regionen sogar die Kastanie (Mörel, Naters; bei Fully befindet sich der grösste Kastanienwald nördlich der Alpen). An Strauchfrüchten wurde die Himbeere, die Brom-, Stachel- und Johannisbeere gezüchtet, im Garten wuchs die Erdbeere und bis auf 2200 Meter wurde die wilde Heidelbeere gesammelt.

Der eigene Hausgarten lieferte jede Menge Gemüse, das als Beilage ein Mahl bereicherte: Bohnen, Karotten, Selerie, Krautstiele, Rüben, Randen, Lauch und Kabis, Blumenkohl und Erbsen, dann aber auch Salate und Gewürzkräuter. Für die Schweiz pflanzte man die Runkelrübe.

Der Weinbau lieferte einen eher sauren Weisswein (Gwäss), der bei der Arbeit getrunken wurde. Daneben waren an Weissweinen  der Chasselat (Fendant) und der Gros Rhin (Johannisberg) sehr verbreitet. An Rotweinen gab es den Blauburgunder und den Gamay, diese wurden zur Walliser Spezialität, dem Dôle, vermischt. Auch schon damals gab es viele Spezialitäten, wie z.B. der Heida (Rezi), der in Visperterminen bis auf 1200 Meter über Meer wächst (höchstgelegener Weinberg Europas), Himbertscha, Lafnetscha, Humange. Syrah, Amigne, Arvine, Ermitage etc.. Viele hatten aber nur kleine Rebberge, deshalb schütteten sie meistens allen Weiss- und Rotwein in ein Fass, das ergab dann den "Schiller" (Dieser wird heute noch im Raume Chur produziert). Der Wein war ein echtes Lebensmittel. Eine durschnittliche Familie verbrauchte im Jahr spielend 400 - 800 Liter. Selbst für die Kinder wurde aus Wein, Wasser und Zucker ein Getränk gemischt. Der Traubentrester wurde machmal, wenn der Wein nicht reichte, mit Wasser und Zucker übergossen; man liess das Ganze nochmals gären und produzierte so einen bitteren Ersatzwein (Piquette). Danach wurde der Trester gebrannt (Jännuschnaps). Schnaps wurde aber auch von fast allem, was sich gären liess, gebrannt (vom Obstbrand über den Enzian bis zum Kräuterschnaps). Er wurde vor allem als Medizin für Mensch und Tier verwendet, getrunken wurde er natürlich auch (Schnapskaffee).

Im Sommer wurden bei den langen Arbeitstagen von vier Uhr morgens (Mähen und Kornschneiden) bis gegen neun Uhr abends bis zu 7 Mahlzeiten eingenommen: das Frühstück, ds Niini (Neun Uhr), das Mittagessen, ds Vieri (Vier Uhr), Nachtessen und d Afteschji (Spätmahlzeit). Frühstück: gekochte Polenta oder Rösti oder geröstete Haferflocken für die Kinder, Spiis (Speise: Brot, Käse, Speck, Trockenfleisch, Wurst) für die Erwachsenen, zum Trinken Milch und Milchkaffee.

Ds Niini: meist Suppe oder ein Stück Brot und Käse. Film

Mittagessen: Suppe oder Kartoffelstock mit Käse, Polenta, Milchreis etc.. Fleisch gab es selten, der Freitag und die Fastenzeit waren ohnehin fleischlos. Meistens war am Sonntag ein Fleischmenue auf dem Programm: Gsottus. Zum Trinken gab es Wein, Tee, Kaffee; Wein durfte man immer trinken, denn es galt der Spruch: "Trinken bricht das Fasten nicht!" (Anderswo haben ja die Mönche während der Fastenzeit ihr Starkbier gebraut.)

Ds Vieri: Zwischenmahlzeit mit Spiis. Film

Nachtessen: Gemüsesuppe mit Brot und Käse, Minestrone, gebratene Polenta, gebratener Kartoffelstock, Rösti, Omeletten, Roggenbrot mit Nüssen, zum Trinken ein Glas Wein und Kräutertee (von selbst gesammelten Kräutern, z.B. „Chella“ = wilder Thymian).

Afteschji: war eher die Ausnahme: eine Frucht, ein Stück hartes Roggenbrot.

Quellen:
  • Arnold Niederer: Alpine Alltagskultur zwischen Beharrung und Wandel. Haupt, Bern, 1993 (Niederer)
  • Peter Ammon: Schweizer Bergleben um 1950. Aura Fotobuchverlag, Luzern, 2006
  • Arnold Niederer: Alpine Alltagskultur zwischen Beharrung und Wandel. Haupt, Bern, 1993 (Niederer)
  • Peter Ammon: Schweizer Bergleben um 1950. Aura Fotobuchverlag, Luzern, 2006
  • Schmid Volmar (1948), Ried-Brig, 23. 3. 07
Schmid Volmar (1948), Ried-Brig, 23. 3. 07
RoggenbrotRoggenbrot

Roggenbrot

EssenBrot

Brot

Das Brot ist das Endprodukt des Backvorgangs; je nach Reinheit und Art des Mehls, der Form oder der Beigabe wurde zwischen Roggenbrot, Weissbrot, Pittilbrot (besonders rein gemahlenes Mehl), Pittilrieja, Rieja (Züpfe, Fladen), Tretscha (Zopf), Brotgöüch (Brotmännchen), Grisch- (grobes Getreide), Häärdepfil- (Kartoffelbrot), Birubrot (Birnenbrot) unterschieden.

Walliser RoggenbrotWalliser Roggenbrot

Walliser Roggenbrot

EssenBrot

Walliser Roggubrot AOC

[Walliser Roggenbrot AOC]

Der Roggen wird im Wallis seit Jahrhunderten angebaut, weil er dort auf günstige Bedingungen gestossen ist. Es ist in der Tat das einzige Getreide, das sich diesen Produktionsbedingungen anpassen kann.

EssenBrot

Vom Korn zum Brot

Emma Schmid, Visp, *1920

Die Technik der Landwirtschaft im Allgemeinen und des Ackerbaus im Speziellen unterscheidet sich in der Talebene wesentlich von den Arbeitstechniken am Berg. Frau Emma Schmid-Nellen  ist in Baltschieder aufgewachsen. Dieses Dorf  befindet sich in der Talebene der Rhone auf ca. 650 M. ü. M.; mit 24 Jahren hat sie nach Ausserberg geheiratet und erlebte nun dort die Berglandwirtschaft (1000 bis 1800 M. ü. M.).

Grundriss des Backhauses von Törbel (Schmid:Gebäude)Grundriss des Backhauses von Törbel (Schmid:Gebäude)

Grundriss des Backhauses von Törbel (Schmid:Gebäude)

EssenBrot

Brot baachu

[Brot backen]

Brot backen war eine der vielen Gemeinschaftsarbeiten der Selbstversorger - Gesellschaft, die bis vor 50 Jahren in den landwirtschaftlich geprägten Gebieten der Walser existierte. Ich gehe für meine Ausführungen vom Backhaus in Törbel (CH, Wallis) aus. Dieses wurde in den letzten Jahren liebevoll wieder hergestellt (wie übrigens viele im Oberwallis) und kann nun öffentlich besichtigt werden (törbel.ch).

Backhaus in TörbelBackhaus in Törbel

Backhaus in Törbel

(Grundriss) Grafik, Volmar Schmid

EssenBrot

Begriffe beim Backen

Werkzeug und Gerät zum Backen

Solche irdene Töpfe waren früher (vor Frigor- und Tiefkühltruhenzeit) sehr verbreitet; in ihnen wurden Kochfett, Sauerkraut, Rüben etc. aufbewahrt.Solche irdene Töpfe waren früher (vor Frigor- und Tiefkühltruhenzeit) sehr verbreitet; in ihnen wurden Kochfett, Sauerkraut, Rüben etc. aufbewahrt.

Solche irdene Töpfe waren früher (vor Frigor- und Tiefkühltruhenzeit) sehr verbreitet; in ihnen wurden Kochfett, Sauerkraut, Rüben etc. aufbewahrt.

Essen

Chochfett

[Kochfett, Kochschmalz]

Abrahmkelle (Walsermuseum Triesenberg)Abrahmkelle (Walsermuseum Triesenberg)

Abrahmkelle (Walsermuseum Triesenberg)

Essen

Aichu

[Butter]

Über Definition, Zusammensetzung und die Geschichte der Butter möchte ich hier nicht eingehen. Dies lässt sich auf Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Butter) oder auf entsprechenden Seiten der Produktorganisationen nachlesen (Website Swissmilk).

EssenKonservieren

Einsalzen

Trocknen, Wursten

Fleisch von einer Hausschlachtung konnte selten auf einmal verzehrt werden und somit musste eine Methode gefunden werden, das Fleisch auch für längere Zeit haltbar zu machen. Die Lösung dieses Problems war das Einsalzen von grösseren Fleischstücken und die anschliessende Lufttrocknung.

Der Kabis wird gehobelt.Der Kabis wird gehobelt.

Der Kabis wird gehobelt.

EssenKonservieren

Sürchabus

[Sauerkraut]

Der Gebrauch von Sauerkraut (Sürchabus) war bereits im antiken Griechenland und im römischen Reich bekannt.

Während des langen Winters waren die Menschen im Alpenraum auf Sauerkraut als wichtigen Lieferanten von Vitamin C und lebenswichtigen Mineralstoffen und Spurenelementen angewiesen. So deckt beispielsweise eine Portion von 200 g Sauerkraut 40% des Tagesbedarfs an Vitamin C.

Das Sauerkraut wurde dabei in grossen Bottichen und Fässern gelagert und hielt sich bei sachgemässer Lagerung während mehrerer Monate ohne grossen Qualitätsverlust.

Die Haltbarkeit von Sauerkraut beruht auf der sog. Milchsäuregärung, bei der Bakterien unter Luftabschluss die Kohlenhydrate im Kabis in Milchsäure und Kohlendioxid umwandeln. Die entstandene Milchsäure verhindert das Wachstum von anderen Bakterien und Mikro-Organismen und  gibt dem Sauerkraut den typischen sauren Geschmack.

EssenKonservieren

Derru

[Dörren]

Hausschlachtung um 1920 (Quelle:www.lauritzen- hamburg.de)Hausschlachtung um 1920 (Quelle:www.lauritzen- hamburg.de)

Hausschlachtung um 1920 (Quelle:www.lauritzen- hamburg.de)

EssenKonservieren

Metzgete

[Die Hausschlachtung]

Essen

Walser Kochtepf

[Walser Kochtöpfe]

Die Walser Küche war ursprünglich einfach. Hausgärten und Äcker lieferten meist ausreichend Kartoffeln und Gemüse. Wo Getreide angebaut wurde, erreichte die Selbstversorgung einen höheren Grad. Die wichtigsten Fleischlieferenten waren Geissen Schafe und Schweine. Die Schlachtung von selbst aufgezogenen Rindern oder gar Kälbern konnte sich kaum jemand leisten. Das Rindvieh wurden auf den Herbstmärkten verkauft. Aus dem Erlös deckten sich die Walser auf den Märkten mit den Gütern ein, die sie selbst nicht produzieren konnte: Reis, Mais, Teigwaren, Zucker, Kaffee und Wein.

Safranfelder in Mund; Foto: SafranzunftSafranfelder in Mund; Foto: Safranzunft

Safranfelder in Mund; Foto: Safranzunft

Essen

Safran

Walser Gewürz

Safran (von arabisch/persisch za'farān ‏, wissenschaftlicher Name Crocus sativus) ist eine Krokus-Art, die im Herbst violett blüht. Aus den Stempeln ihrer Blüten wird das ebenfalls Safran genannte Gewürz gewonnen.

Zimtstangen und -pulver, im Wsdt. Ganilla;Zimtstangen und -pulver, im Wsdt. Ganilla;

Zimtstangen und -pulver, im Wsdt. Ganilla;

Quelle: Wikipedia

Essen

Ganilla

[Zimt] - Walser Gewürz

Zimt wird im Walliserdeutsch nach der französischen Bezeichnung Ganilla genannt.

Interessantes aus dem Bereich Essen

Vom Korn zum Brot

Emma Schmid, Visp, *1920

Details

Begriffe beim Backen

Werkzeug und Gerät zum Backen

Details

Einsalzen

Trocknen, Wursten

Details